Am 22.08.2017 um 22:18 schrieb Erik Schanze:
> Hallo Sebastian,
>
>
> ja, meinen Kollegen würden Ihre Erfahrungen sehr interessieren.
> Ich kann auch den direkten Kontakt vermitteln, falls gewünscht.
>
>
> Viele Grüße,
>
> Erik Schanze
>
>
>
Ok, dann wollen wir mal:
Vorweg aber eine Anmerkung: Es handelt sich um eine subjektive Meinung/
Erfahrungen! Ich erhebe keinerlei Anspruch auf Richtigkeit oder
Vollständigkeit! Es gibt neben den im Folgenden genannten Firmen/
Seiten/ Diensten auch andere! Also bitte nicht steinigen!
Jede gute Geschichte fängt ja an mit "Es war einmal.....".
1. Kapitel - kleine Vorrede:
Es war einmal, nicht im Weltall, sondern in einem kleinen Dorf im
Erzgebirge. Wir schreiben das Jahr 2002. Die meisten kannten Computer
nur von weitem und wer statt dem 33k-Modem ein 56k-Modem oder gar ISDN
(mit oder ohne Kanalbündelung) hatte, fühlte sich schon auf der
Datenautobahn. Zu dieser Zeit gab es aber bereits "EuropeOnline" [1].
Diese Firma bot "Offline"- oder "Push"- Downloads an. Diese kamen über
Astra 19.2°, also den gebräuchlichsten Fernsehsatelliten in Deutschland.
Dazu benötigte man nur eine digitale Fernsehkarte und eine kleine
Software, die per Schlüssel die angeforderten Datenpakete aus dem Äther
fischte. Man ging damals online und trug den Link auf der "EuropeOnline"
-Webseite ein. Die luden dann die Software auf ihren Server und hängten
das Paket dann an den Zeitplan an. Tolle Sache, schließlich hatte ich so
bereits 2002 eine Downloadgeschwindigkeit von 2MBit!!!! Leider ist die
Firma fast im Jahrestakt pleite gegangen, was sowohl am Geschäftsmodell,
als auch an den Nutzern lag. Der Spaß kam ja 99€/Jahr, eher nicht Kosten
deckend. Neben der Volumenbegrenzung und zu kaufbarem Volumen, wollte
"EuropeOnline" mit Pferdewetten und "Video-On-Demand" zusätzlich Geld
verdienen. Die hatten aber die Rechnung ohne die Nutzer gemacht! Warum?
Sehr einfach! Ein Nutzer Namens "AustinPowers" und andere haben eine
Zusatzsoftware entwickelt, die die Downloadschlüssel und den
Speicherplatz/ Volumen der jeweiligen Nutzer zusammenfassten. Die
Downloadschlüssel wurden dann an alle, die mitmachten, weitergegeben und
so monatliches Volumen gespart/ geteilt. Auch die monatlichen
"Freifilme" wurden so geteilt. Na ja, mit dem "Pleite-gehen" wurde dann
die Firma auch von einem Satelliten zum nächsten durchgereicht. Das
führte dann zur Anschaffung einer WaveFrontier Torroidal 90.
Empfangsleistung: extrem gut! Auch bei schlechtem Wetter! Bei einem
Satellitenwechsel musste ich das Empfangs-LNB nur auf die nächste
Position schieben und gut. Das waren Zeiten........und EuropeOnline
wurde zu einem Verein und war ein Jahr später endgültig Pleite. Das
"Irre" ist, die Webseite ist sogar noch online und das "Push"-
Downloadsystem gab es dann noch einige Zeit bei "Broadsat" [2].
Danach kam das erste richtige Surfen per Satellit. Mit 768kBit/s
Downstream und Upstrem per ISDN (64kBit/s, 1-Kanal). Nach ein paar
Jahren kam dann Astra2Connect, also beide Datenströme über Satellit. Ein
echter Fortschritt, erst mit 2MBit, später mit 4MBit-Downstream, mit
Volumenbegrenzung und ca. 1000 bis 1200ms Latenzzeit. Ist aber auch
schon ein paar Jahre her. Als dann die monatlichen Datenmengen durch
Onlineaktualisierungen diverser Rechner/ Labtops immer mehr anstiegen,
reichte auch die "Freezone" (Zwischen 0.00 und 6.00Uhr wurde das Volumen
nicht gezählt) nicht mehr aus. Damit kam zuerst in der Firma eine neue
Anlage von Filiago [3] mit AVANTI-Technik [4] (16MBit-Down/
2,5MBit-Upload, 700-800ms, 30GB-Volumen/Monat)
2. Kapitel - Heute:
Nachdem wir in der Firma besagte Avanti-Anlage in Betrieb genommen
hatten, kam am zweiten Standort (Buchhaltungsbüro) als Ersatz für die
dortige Astra2Connect- Anlage eine sogenannte KA-Sat- Anlage von
Eutelsat [5] (Reseller: GetInternet [6]) mit 30Mbit/s-down/6MBit/s-up.
Die Latenzzeit ist um ca. 100ms besser (600-700ms) und damit lässt sich
dann auch telefonieren. Das geht zwar theoretisch mit allen Anlagen,
macht aber keinen Spaß (siehe auch Punkt 3)! Da die Wetteranfälligkeit
der Eutelsat-Anlage etwas größer ist und der Vertrag keine statische
öffentliche IP bietet, haben wir bis heute die Avanti-Anlage nicht
getauscht. Die Eutelsat-Anlage bietet aber den Vorteil, mit einem
"schielenden" LNB auch ASTRA-Fernsehen zu empfangen. Das ist mit der
AVANTI-Anlage aufgrund des verwendeten Satelliten nicht möglich. Ist bei
Privathäusern nat. eine Überlegung wert. Welche von beiden besser ist,
kann ich ehrlich nicht sagen! Jede hat ihre Vor- und Nachteile! Neben
den KA-Satsystemen von Avanti und Eutelsat gibt es u.a. auch noch KA-Sat
von SES Astra. Deren Satellit steht auch neben dem 19.2° und somit ist
auch Fernsehempfang mit einer Schüssel möglich.
Die LAN-Netze beider Standorte sind nun auch noch per Richtfunk
miteinander verbunden, was uns einen hohen Grad an Ausfallsicherheit
bringt. Darüber sind auch unsere Telefonanlagen (i.Ü. keine
Fritz-Boxen!, Ja es gibt auch noch was anderes (Askozia/ Asterisk [7])!)
miteinander verbunden und nutzen so die ISDN-Leitungen und VoIP/SIP
gemeinsam. Bei jedem Anruf nach draußen klopfen die jeweils in einer
bestimmten Reihenfolge (1. eigene ISDN-Leitungen->ISDN-Leitungen des
anderen Standortes->VoIP/SIP) ab und nehmen dann die erste
funktionierende. Wir können also zu 99,9% immer telefonieren. Bei
Ausfall eines Anschlusses, lassen wir dann jeweils beim Provider eine
Weiterleitung schalten und sind erreichbar.
3. Kapitel - Telefonie:
Das Telefonieren mit SIP/VoIP ist prinzipiell möglich! Man kann entweder
die angebotenen Provider der Sat-Reseller verwenden (z.B. Puretel [8]
bei Filiago/ Avanti) oder auch alternative Anbieter (z.B. SIPGate [9]
o.ä.). Dann verweigern die Sat-Reseller aber den Support für die
SIP-Verbindung. Wir hatten am Anfang Schwierigkeiten mit SIPGate und die
haben uns dann ihrerseits gleich mal ein Sonderkündigungsrecht
eingeräumt, da die SIPGate-Verbindungen nicht für so hohe Latenzzeiten
optimiert sind. Lag aber dann an der Konfiguration der
pfSense-Firewall/-Router [10]. Seit dem funktioniert das problemlos,
abgesehen von den grundsätzlichen Problemen! Grundsätzliches Problem? Na
ja, da wäre die hohe Latenzzeit! Das wirkt sich sehr unschön aus. Wenn
die zu hoch wird, so gegen 1000ms, dann kann man es gleich vergessen.
Dann brechen die Gespräche ab bzw. es kommt zum Stottern. Wir hatten
über die AVANTI-Verbindung das Problem, dass uns die Gesprächspartner
verstehen konnten, wir aber alles nur abgehackt bzw. nur jedes zweite
Wort verstanden haben. Mittlerweile gibt es aber neue LNB's und neue
Modems (KA-Sat), und seit dem nur noch ca. 650ms statt 800 bis 900ms.
Beim Führen der Gespräche muss man nun mit der Verzögerung durch die
Latenzzeit leben. Das äußert sich in Gesprächspausen, da man ja aus
Sicht des Gesprächspartners immer mit 600-700ms Verzögerung antwortet.
Durch die hohe Komprimierung der verwendeten Codecs, herrscht während
der Gesprächspausen immer Stille. Daran muss man sich erst gewöhnen.
Besonders bei Gesprächen mit starken Hintergrundgeräuschen führt das zum
Eindruck, dass das Gespräch abgebrochen ist.
Auch ist die parallele/ gleichzeitige Nutzung mehrerer
SIP/VoIP-Leitungen möglich. Es empfiehlt sich dann eine Reservierung/
Priorisierung von Bandbreite für die Telefonie im eigenen Router.
Nun kann man nat. sagen: "Nimm doch was die mit anbieten!" Na das haben
wir anfangs auch probiert, aber der Filiago-Support kennt sich nur mit
"FritzBox"en aus und hat kapituliert. Purtel fühlte sich nicht
zuständig und verwies uns immer wieder auf Filiago. Heute bin ich davon
überzeugt, dass es nur einer Portweiterleitung in der pfSense bedurft
hätte und es hätte geklingelt. Leider konnte uns keiner sagen, welchen
Port das noch betroffen hätte (SIP, RTP und STUN haben wir ja
weitergeleitet). Da hat sich nur der Support von Askozia rein gekniet
und eine Lösung mit der Kombination "Askozia"-"pfSense"-"SIPGate" gefunden.
4. Kapitel - Fazit:
Es ist keine "Eier-legende-Wollmilchsau"! Aber es geht überall, wo es
freien Blick zum jeweiligen Satelliten gibt. Häuser, Bäume usw. vor der
Schüssel sind nat. kontra produktiv. Bei richtig starkem Regen/
Gewitter/ Schnee, also alles was elektromagnetische Wellen stört, kann
die Verbindung abreißen. Es reicht aber keine kleine Wolke! Es muss
schon richtig schlechtes Wetter sein!
Das gilt nicht nur für sehr schlechtes Wetter am eigenen, sondern auch
am Standort der Bodenstation (Eutelsat in Süddeutschland , Avanti in
Südengland). Der Standort der Bodenstation ist auch für die
Defaulteinstellungen von Webseiten wichtig (z.B. Suchmaschinen, Youtube
usw.). Mit AVANTI wird immer die englische Version angezeigt, es sei
denn man ändert die Voreinstellungen. Bei Eutelsat kommt immer die
deutsche Version. Das sollte man auch bedenken.
Man kann damit grundsätzlich alles machen: Surfen, Downloads, Videos/
Audio streamen, große Daten versenden und auch Telefonieren
(Videotelefonie haben wir noch nicht getestet/ verwendet). Hängt nat.
alles vom gewählten Vertrag ab (Bandbreite, Volumen, Vertragsumfang).
ABER: Alles was zeitkritisch ist (Ballerspiele, Telefonie,
Echtzeitüberwachung, Fernwartung per Konsole usw.), ist ein Problem! Gut
das Problem "Ballerspiele" sehe ich persönlich als Vorteil! Es wird
keiner süchtig! Man verliert immer (der Nachteil dem Gegner gegenüber
beträgt: 600 bis 700ms)! Bei der Telefonie wird es schon "unschöner" und
der Fernzugriff per Linux-Konsole ist "mehr als nur unschön". Das ist
alles wie mit "angezogener Handbremse". Da tippt und tippt man und der
Text wird nur Buchstabe für Buchstabe auf dem Bildschirm angezeigt/
aufgebaut. Also eher was für Leute mit "Zwei-Finger-Suchsystem", aber
jeder Admin "bekommt die Krise"......Grafikfenster per "ssh X-tunneling"
oder andere Techniken (TeamViewer [11], RemoteDesktop usw.) öffnen sich
zwar, sind aber meist nicht verwendbar -> bleiben lassen! Fernwartung
lieber über Webseiten (WebMin [12], Froxlor [13] usw.) und ähnliche
nicht zeitkritische Technologien verwenden! Auch macht der Betrieb eines
"richtigen" Webservers keinen großen Spaß. Wir haben zwar eine Zugang zu
unserem ERP/CRM-System (Kivitendo [14]) per öffentlicher IP über AVANTI,
aber "Otto-Normal-DAU" wird sehr schnell über die Zeitverzögerung
(Latenzzeit) meckern! Vor dem Richtfunk über die 500m innerorts, haben
wir Kivitendo über die beiden Satanlagen verwendet. 2x Latenzzeit von
ca. 700ms-> 1400ms! Wir haben somit 1400 gute Gründe für die
Richtfunkverbindung (2-4ms Latenzzeit)! Latenzzeiten unter 500ms sind
i.Ü. nicht möglich! Das Signal muss ja 2x zum Satelliten in GEO und
zurück. Da sieht man die Lichtgeschwindigkeit live beim Surfen!
Ich sehe diese Technik eher als Backup-System oder schnelle Lösung für
"Nicht-DSL-Gebiete". Mittlerweile haben ja die meisten Leute auch
eingesehen, dass LTE auch nicht "die Lösung" ist. Gegenüber LTE bietet
das SAT-DSL auch den Vorteil, dass am Nachmittag die Bandbreite nicht
zusammen bricht, nur weil die Schulkinder alle zu Hause sind und die
Handies/ Tablets "heiß laufen". Das ist für uns besonders wichtig, da
wir kurz vor 16.00Uhr die Ersatzteile für die Werkstatt bestellen. Da
muss die Verbindung zuverlässig stehen!
Der Support ist sowohl bei Filiago als auch bei GetInternet
grundsätzlich zuverlässig. Mit Filiago haben wir nun schon länger (seit
ca. 2007) zu tun und es gab bisher immer eine Lösung, abgesehen von
Purtel-SIP. Mit der Eutelsat-Anlage war noch nicht so viel (die kommt
erst noch "in die Jahre"). Bei der Avanti hatten wir schon zwei mal
Wasser im LNB, wurde innerhalb weniger Tage repariert (hexen können die
bei Filiago nat. auch nicht-> wir haben ja 2 Anlagen ;-) ). Das erste
mal war es ein Hagelgewitter, was die Plastikabdeckung am LNB beschädigt
hat. Durch den Riß ist dann Wasser eingedrungen. Beim zweiten Mal war es
extrem heißes Wetter gefolgt von Gewitter/Regen und dadurch eine rissige
Dichtung. Da ist dann auch Wasser ins LNB eingedrungen. Ist über die
Jahre aber nur 2x passiert! Die Terrorkom-ISDN-Leitungen sind da öfter
dran.....(mind. 1x pro Jahr :-( )
Auch muss man keine Sorge haben, dass ein Reseller Pleite geht. Ist
schon öfter passiert. So gehört Filiago inszwischen SES Astra.
GetInternet ist vor ca. 3/4-Jahr auch übernommen worden (bin mir nur
nicht sicher von wem). Da stehen immer die staatlichen bzw.
halbstaatlichen Satellitenbetreiber dahinter und es geht weiter. Da muss
man sich keine großen Sorgen machen.
Preise: ab ca. 35€ pro Monat, nach oben offen, echte Flatrates ab ca.
100€/Monat
Montage: Sollte man von den Technikern machen lassen bzw. Avanti darf
man nicht mehr selber machen. Bis zu Astra2Connect- Zeiten habe ich das
zusammen mit dem Fernsehtechniker vor Ort selber gemacht.
Ich möchte aber die beste Lösung nicht verschweigen: Terrorkom
CompanyConnect! Auftragsannahme: 420€. Planung, Kabelverlegung zu Lasten
des Kunden je nach Aufwand (Ich kenne einen Fall, da hat eine Firma ca.
30T€ fürs Glasfaserkabel bezahlt.), min. 5Mbit/s- synchron mit
fantastischen Latenzzeiten, QoS und ohne Begrenzung für nur min.
350€/Monat. Da ist mir echt "viel zu billig"!
Sicherheit: Na ja, das Nachbarskind wird sich sicher nicht zwischen
Satelliten und Satmodem einklinken. Die "Schlapphüte" greifen den
Verkehr eh an den Knotenpunkten ab. Sollte man also ein Backup seiner
Daten benötigen, muss man nat. das gewählte System bedenken. Bei AVANTI
den "GCHQ" fragen, bei Astra und Eutelsat dann eher
"Onkel-Donalds-Truppe". Alternativ auch gern umgekehrt oder vielleicht
doch "Onkel-Vladimirs"-, "Onkel-Kims-", "Onkel-Huens-", "Bubi-Marcs-",
"Fauler-Apfel-", ..... Truppe. Und da bin ich richtig sauer! Die greifen
direkt am Glasfaserkabel mit einem Glasfaserkabel ab! Die haben
Glasfaser! Echt, die haben Glasfaser! Nun gut lassen wir das.......
Sollte es weitere Fragen/ Interesse geben, können wir uns das auch bei
uns vor Ort anschauen......
[1] http://europeonline.com/de/index.shtml
[2] https://www.broadsat.com
[3] http://www.filiago.de
[4] http://www.avantiplc.com
[5] http://www.eutelsat.com/de/home.html
[6] https://www.getinternet.de
[7] http://askozia.com/de/
[8] http://www.purtel.com/index.php?id=2
[9] http://sipgate.de
[10] https://www.pfsense.org
[11] https://www.teamviewer.com/de/
[12] http://webmin.com
[13] http://www.froxlor.org
[14] http://www.kivitendo.de
--
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Reinhardt