Hallo Konrad,
schön, Feedback von dir zu bekommen. Du kennst dich
bei vielen Details bestimmt besser aus als ich.
Am 11.05.20 um 20:04 schrieb Konrad Rosenbaum:
> Hi,
>
>
> Du läßt Dich bei der ganzen Liste von Suchmaschinen und Magazin-Artikeln
> blenden. Totgesagte leben länger! ;-)
Bitte diese Einleitung beachten:
> Most things I list below to get used daily by a lot of people and are
mature solutions. But I won't go this way if I could start from scratch.
Das ist wie bei einem Tischtennisverein, der kein Nachwuchstraining
macht. Die alten Herren
spielen täglich Ping-Pong, aber langfristig wird es aussterben.
> Es gibt reichlich Kritik (falls Du gerade einen empfindlichen Tag hast -
> leg die Mail zur Seite und lese sie später):
>
> [Warnung: der folgende Text könnte Spuren von Sarkasmus enthalten.]
>
> Native GUI: sowohl GTK als auch Qt leben noch. Qt verbreitet sich
> langsam in der embedded und mobil Welt. Ich würde eher Web-Apps als Hype
> bezeichnen. Wo die Reise hin geht ist im Moment sehr schwer abzuschätzen.
Aus meiner Sicht ist die Zukunft klar: Progressive Web Apps.
> NFS: ja, ist weniger geworden, aber wird immernoch massiv in der
> Industrie eingesetzt.
Wie gesagt: Wenn man neu anfängt, dann würde man sicherlich
S3 oder ähnliches nehmen und mehr NFS.
> Dir ist schon klar dass NextCloud und OwnCloud eng verwandt sind?
Ich kenne keinen der nicht von Owncloud zu Nextcloud
gewechselt hat. Was willst du mir damit sagen?
> Corba - stimmt, nur noch in Nischen, ist so weit hinter dem Hype
> geblieben dass es schon lächerlich wirkt.
>
> Microsoft COM: COM ist im Hintergrund immernoch eine wichtige
> Technologie. Zwischendurch hat man es hinter ActiveX versteckt, heute
> hat man noch mehr Layer dazwischen. Aber es ist immernoch die Grundlage
> für Fernsteuerung von lokalen Windows-Anwendungen.
Aus meiner Sicht hat native GUI keine Zukunft, also
macht COM keinen Sinn mehr für mich. Ich bin da aber total
tiefen-entspannt. Ich kenne Harmoniezwang und Symmetriezwang,
aber hier ist es voll OK, wenn du meinst, in Zukunft noch
COM-Projekte starten zu wollen.
> Meintest Du DCOM? Korrekt, die größte Anwendung von DCOM wird gerade auf
> eine andere Technologie umgestellt - OPC macht gerade ganz langsam das
> Upgrade auf OPC UA (TCP & XML basiert).
>
> SOAP, WSDL: ich schimpfe seit 10 Jahren über SOAP-basierte Protokolle in
> meiner Industrie und werde es wahrscheinlich auch noch weitere 10 Jahre
> machen! SOAP ist in der Industrie unangefochten. Es sucht keiner mehr
> danach, weil die modernen APIs schön "Business friendly" sind (so
> einfach, dass nur noch Idioten sie bedienen können und wollen).
>
> 8-bit Zeichensätze: ich sehe sie die nächsten 10-15 Jahre nicht
> verschwinden. Am schlimmsten ist das 7-bit ASCII - es gibt aktuelle
> Standards in denen auf ASCII eingeschränkt wird, weil Unicode einfach
> mal unpraktisch ist wenn Du einen Parser baust.
Bekommst du Gehalt oder Schmerzensgeld?
Ich würde als ABAP-Entwickler sicherlich mehr Geld verdienen.
Aber ich will das nicht. Ich will mit aktuellen Tools arbeiten.
> MS- & LibreOffice: mag sein dass Microsoft gerade alles daran setzt sein
> Desktop-Office kaputt zu machen. Dann darf es halt dabei zugucken wie
> viele Firmen auf LibreOffice umsteigen. Der Trend zu Mietsoftware und
> Cloud-Apps wird nicht so universell sein wie oft vorhergesagt - es gibt
> noch so etwas wie Firmengeheimnisse.
Kennst du DATEV? Hier ist SaaS wirklich spannend. Das geht voll ab.
Sprech doch einfach mal mit einem Steuerberater. Die sind super
froh sich nicht mehr um Backup, Updates, Server usw zu kümmern.
Die lieben die Cloud.
Ob das nun gut ist? Ein zentrales Rechenzentrum, im dem die Steuerdaten
von fast allen Deutschen gespeichert sind... Vermutlich auch deine (über
deinen Arbeitgeber).
Ich stelle das nur fest und der Trend lässt sich nicht aufhalten.
Genau darum habe ich das alles mal aufgelistet.
Es gibt noch viele die aktuell im LAN täglich VPN, Postfix, Dovecot, Samba
streicheln und meinen, dass der Job die nächsten zwanzig Jahre
so weiter geht. Die Entscheidung trifft die Geschäftsführung,
und nicht der Admin.
> KDE geht es gut. Danke.
>
> Virtualisierungstechnologien ändern sich aller Nase lang - das ist
> normal wenn ein Technologiestack sich noch entwickelt.
> LAMP: wenn Du es als "Linux, Apache, MariaDB, PHP" bezeichnest, dann ist
> es das Brot-und-Butter-Geschäft der Webhoster. Wo siehst Du LAMP sterben?
Super! Danke für den Hinweis. Das muss erst noch reifen.
Die Zukunft ist "Serverless". Aber du hast recht LAMP ist noch
nicht "dead-end".
> Sprachen:
>
> Assembler hat seine stabile Nische in der Low-Level
> Systemprogrammierung. Dort wird es bleiben und nicht so schnell
> weggehen. Das schöne daran ist dass jetzt nicht mehr jeder Depp versucht
> sich mit der CPU direkt zu unterhalten.
Kennst du das Stockholm-Syndrom?
> C - im embedded Bereich und der Systemprogrammierung nicht wegzudenken.
> Nur weil Applikationsentwickler eine Sprache nicht sehen heißt das nicht
> dass sie unbedeutend ist. Ich habe gerade ein bezahltes C-Projekt hinter
> mir und bin mitten in einem privaten embedded Projekt mit C. Das nächste
> C-Projekt kommt bestimmt.
Ich würde C nicht mehr nehmen. Warum nicht golang?
> C++ ist so tot dass man sich genötigt sieht in regelmäßigen Abständen
> neue Sprachstandards zu verabschieden (C++11, 14, 17, 20; 2x ist in
> Arbeit) und sämtliche größeren Compiler (GCC, Clang, MS C++ usw.)
> relativ schnell auf den neuesten Stand zu bringen... ...definitiv ein
> Zeichen einer toten Sprache. :-P
Ich würde nie mehr C++ wählen. Und wenn ich C++ nehmen muss,
was dann? Halt - wieso "muss" wieso sollte mir jemand das vorschreiben?
Das kann mir niemand vorschreiben.
> Java ist so tief in der Industrie verwurzelt dass es nichts hilft
> darüber zu fluchen (was ich gerne mache) - es wird uns auf Dauer
> erhalten bleiben (auch zu meinem Leidwesen).
Lies doch bitte den Text, den sich vor dem Schlüsselwort "Java" befindet.
> XSLT (Bitte: erst recherchieren, dann schreiben) ist eine
> Daten-Transformations-Sprache mit eingebetteter Query-Sprache (XPath)
> für XML. Beiden geht es gut. XSLT gehört heute zu den Standardwerkzeugen
> in der Industrie, auch wenn viele Kollegen erbärmlich leiden wenn sie
> mehr als 2 Zeilen XSLT lesen müssen...
>
> C# ernährt alleine in Dresden dutzende Firmen. Leider.
>
> Shell Script ist eine derartig grottige Idee dass Microsoft sich
> genötigt sah mit Powershell eine bessere Windows-Shell zu bauen. Nimm
> einem Industrie-Admin die Shell weg und Du hast einen mordenden
> Wahnsinnigen auf Deinen Fersen! Python ist keine Lösung, weil zu komplex.
>
> "One Spec" - Deine Aussage ist etwas pauschal. Es kommt immer auf die
> Anwendung an. Ja, bei Sprachen wie Python, PHP, etc. ist eine
> Implementation ausreichend und sinnvoll, da die Sprache nicht
> performance-kritisch ist (wer es dafür benutzt hat an der Uni
> geschlafen). Bei C/C++ sind mehrere Implementationen eine gute Idee, da
> man seinen Dialekt für die jeweilige Anwendung optimieren kann - so
> schwer es mir fällt das zu schreiben: der Microsoft C++-Compiler erzeugt
> besseren Windows-Code als GCC; das fällt mir einfacher: wenn ich
> portabel arbeiten will nehme ich GCC, weil Microsoft-C++ fast nirgendwo
> läuft.
> Der Internet Exploder hat nicht auf Chrome umgestellt, sondern wurde
> durch das Chromium-basierte Edge ersetzt.
Danke für den Hinweis. Die Formulierung war nicht ganz richtig. Danke.
> RegEx: Brot und Butter (mit Zeichenmüll) - gewöhn dich an den Geschmack,
> der geht nicht mehr weg. ;-P
ich habe schon lange keine Regex mehr geschrieben, und habe
auch nicht vor das in der Zukunft besonders oft zu tun.
> Im "Browser War" irgendwas vorherzusagen ist noch zuverlässiger als in
> eine ungeputzte Glaskugel zu starren und damit das Wetter für nächstes
> Weihnachten vorherzusagen. Bis jetzt hat sich Firefox gut gehalten und
> hat (bisher?) keinerlei Ambitionen Gecko zu entsorgen. Google's
> Produktstrategie ist dagegen in etwa so langzeit-stabil wie
> Polonium-212. Es ist alles möglich.
Meine Vermutung: Firefox geht bald das Geld aus. Sie werden
dann vermutlich auch Chromium als Basis nehmen.
Wenn es Chrome und Firefox gibt, dann hat man ein angenehm
warmes Gefühl im Bauch, dass es Alternativen anstatt einer
Monokultur gibt. Es gibt neben den Gefühlen aber noch etwas
anderes.
> LiMux: ja, dieses erste große Projekt wird von ein paar Polit-Idioten
> gerade zurückgerollt. Es darf nicht mit Linux auf dem Desktop
> verwechselt werden - dem geht es in 90% der Deployments relativ gut
> (z.B. französische Gendarmerie und einige internationale Städte).
> Zugegeben das ist an der Gesamtzahl von PCs gemessen keine große Hausnummer.
>
> Was in der Zwischenzeit alle verschlafen haben: wir haben Linux auf 80%
> der Telefone und in 98% aller "smarten" Geräte, wie Fernseher...
> irgendwann im Jahr 2099 wird sich irgenwer darüber beschweren dass es
> Linux immernoch nicht auf den Desktop geschafft hat und wird dabei
> ignorieren dass es den klassischen Desktop dann gar nicht mehr gibt.
Das sind wir uns einig: den klassischen Desktop gibt es gar nicht mehr.
Es gibt eigentlich nur noch den Browser.
> Nichts ist so schnelllebig wie Computer-Hardware - nur mobile Hardware
> ist noch schlimmer. Wo sind CRT-Monitore? Tastaturen mit DIN-Stecker?
> ... lohnt sich nicht aufzuzählen - heute weiß keiner mehr was ein Zune
> ist. Von Magnettrommelspeicher mal ganz zu schweigen.
Ich habe bewusst Hardware bei meiner Liste ausgeklammert.
> ...Ich skippe mal einiges, wegen akuter Unlust darüber nachzudenken.
>
> Mikrokernel: stecken heute in jedem teuren PC, Laptop und Server. Die
> Remote-Management-Units von Intel laufen auf einem Abkömmling von Minix.
> Wenn Du den Begriff nicht ganz so eng auslegst: ein modernes Linux hat
> mit einem Mikrokernel mehr gemein als mit einem wirklich monolithischen
> Kern; Windows NT ist als Mikrokernel designt gewesen - ist heute aber
> auch eher ein Mischwesen.
> RAW Photo: absolut essentiell wenn Du Profi-Fotograf bist - JPEG hat um
> Größenordnungen weniger Information gespeichert. Bei richtig teuren
> (Preisklasse Porsche) Movie-Kameras ist es sogar noch schlimmer - dort
> kannst Du im Nachhinein die Blende anpassen und HDR-Color-Grading
> machen. Speicher ist heute kein Argument mehr. Merke: je Profi, desto
> RAW; je Amateur, desto Faulheit.
Hast du dir den Text eigentlich durchgelesen, oder hast du
nur auf das Schlüsselwort "RAW" reflexartig reagiert?
> Java Applets & Flash: Treffer! Gratuliere. Beides wurde von den
> Browser-Herstellern aus Sicherheitsgründen abgemurkst, sonst hätten wir
> es noch. Dafür habe ich jetzt ein Amazon-DRM-Plugin, damit ich StarWars
> streamen kann. Schöne neue Welt.
Ich nutze kein DRM Plugin.
> FTP: bleibt in der Nische für sehr große Dateien. Da ist Web-Storage
> einfach nur grottenschlecht.
> Jenkins: ich habe das Gefühl dass Du einen sehr eingeschränkten Blick
> auf diese Dinge hast? Hosting im Internet ist keine Option für viele
> Industrieunternehmen.
Gitlab kann man doch selber im LAN betreiben. Ich verstehe
deinen Hinweis nicht. Wie meinst du das?
> Portability: auch hier ist der Blick sehr eingeschränkt. Portabilität
> ist bei Anwendungen immernoch wichtig und Container lösen nur einen ganz
> kleinen Teil der Probleme. In der Masse ist der Hype vorbei, aber das
> war es auch schon.
Ich sehe das anders. Ich bin wirklich froh, wenn man Serversoftware
nur noch für ein OS entwickeln muss und nicht mehr für
viele. Es reicht ein Container-Image anzubieten anstatt viele Varianten
(RPM/DPKG)
> Wie definierst Du eigentlich LAN? Tip: Local Area Network. LAN für tot
> zu erklären ist ungefär so sinnvoll wie Nebenstraßen abzuschaffen, weil
> es jetzt Autobahn-fähige Autos gibt. Es googelt nur keiner mehr nach
> Verkabelungsanleitungen.
Wo habe ich LAN für tot erklärt?
> VPN: ohne wäre ich im Augenblick arbeitslos. Eine handvoll VPNs
> ermöglicht es mir von zu Hause auf den Servern der Firma und unserer
> Kunden zu arbeiten. Gefühlt jeder fünfte Werbespot auf Youtube ist für
> einen großen VPN-Anbieter. WTF?
In modernen Firmen ist kein VPN mehr nötig. Alles geht per https.
Das ist von überall erreichbar. So sieht die Zukunft aus. Ich finde es super
> LDAP: andere haben schon darüber geschrieben. LDAP geht es gut.
>
>
> Kurzfassung: 90% Deiner Beispiele leiden an false negatives - nur weil
> die Masse nicht mehr nach einer Technologie sucht heißt das nicht dass
> sie unwichtig ist - es kann auch sein dass sie jetzt so gut funktioniert
> dass man keine Doku mehr braucht. Das meiste vom Rest leidet unter
> schlechter Recherche. Sorry.
Sackgasse und tot sind zwei verschiedene Dinge. Ich sprach
von Sackgasse.
> Kleine Ergänzung:
>
> COBOL. Ein nicht unerheblicher Teil der Banken-Infrastruktur läuft
> immernoch auf COBOL. Meistens auf einer Mainframe, die 1975 angeschaltet
> wurde, zwischendurch nie heruntergefahren wurde, aber heute trotzdem
> komplett andere Hardware im Rack enthält. Wie das geht überlasse ich Dir
> als Rätselaufgabe.
> OpenVMS: dieses Betriebssystem hält sich so stur in seinen Nischen dass
> HP (die hatten das von DEC geerbt) seine Strategie die Preisschraube
> anzusetzen aufgegeben hat und OpenVMS an eine andere Firma ausgelagert
> hat, damit sie es endlich loswerden und ein anderer Hersteller das
> Problem hat!
>
> Itanium-Prozessor: siehe OpenVMS.
>
>
> Viel Glück mit der nächsten Liste!
Für jede Regel gibt es eine Ausnahme.
Das ist wie die fünf Prozent-Hürde bei der Politik. Ich sage
ja nicht, dass es das alles nicht gibt.
Ich bin sehr froh mich nicht mehr mit XSLT, C, IE, COM, und
all dem veralteten Zeug rumschlagen zu müssen.
Da bin ich wirklich sehr glücklich.
Danke für deine Hinweise!
Gruß,
Thomas
--
Thomas Guettlerhttp://www.thomas-guettler.de/
I am looking for feedback:https://github.com/guettli/programming-guidelines