Hi,
Du läßt Dich bei der ganzen Liste von Suchmaschinen und Magazin-Artikeln blenden. Totgesagte leben länger!
Es gibt reichlich Kritik (falls Du gerade einen empfindlichen Tag hast - leg die Mail zur Seite und lese sie später):
[Warnung: der folgende Text könnte Spuren von Sarkasmus enthalten.]
Native GUI: sowohl GTK als auch Qt leben noch. Qt verbreitet sich langsam in der embedded und mobil Welt. Ich würde eher Web-Apps als Hype bezeichnen. Wo die Reise hin geht ist im Moment sehr schwer abzuschätzen.
NFS: ja, ist weniger geworden, aber wird immernoch massiv in der Industrie eingesetzt.
Dir ist schon klar dass NextCloud und OwnCloud eng verwandt sind?
Corba - stimmt, nur noch in Nischen, ist so weit hinter dem Hype geblieben dass es schon lächerlich wirkt.
Microsoft COM: COM ist im Hintergrund immernoch eine wichtige Technologie. Zwischendurch hat man es hinter ActiveX versteckt, heute hat man noch mehr Layer dazwischen. Aber es ist immernoch die Grundlage für Fernsteuerung von lokalen Windows-Anwendungen.
Meintest Du DCOM? Korrekt, die größte Anwendung von DCOM wird gerade auf eine andere Technologie umgestellt - OPC macht gerade ganz langsam das Upgrade auf OPC UA (TCP & XML basiert).
SOAP, WSDL: ich schimpfe seit 10 Jahren über SOAP-basierte Protokolle in meiner Industrie und werde es wahrscheinlich auch noch weitere 10 Jahre machen! SOAP ist in der Industrie unangefochten. Es sucht keiner mehr danach, weil die modernen APIs schön "Business friendly" sind (so einfach, dass nur noch Idioten sie bedienen können und wollen).
8-bit Zeichensätze: ich sehe sie die nächsten 10-15 Jahre nicht verschwinden. Am schlimmsten ist das 7-bit ASCII - es gibt aktuelle Standards in denen auf ASCII eingeschränkt wird, weil Unicode einfach mal unpraktisch ist wenn Du einen Parser baust.
MS- & LibreOffice: mag sein dass Microsoft gerade alles daran setzt sein Desktop-Office kaputt zu machen. Dann darf es halt dabei zugucken wie viele Firmen auf LibreOffice umsteigen. Der Trend zu Mietsoftware und Cloud-Apps wird nicht so universell sein wie oft vorhergesagt - es gibt noch so etwas wie Firmengeheimnisse.
KDE geht es gut. Danke.
Virtualisierungstechnologien ändern sich aller Nase lang - das ist normal wenn ein Technologiestack sich noch entwickelt.
LAMP: wenn Du es als "Linux, Apache, MariaDB, PHP" bezeichnest, dann ist es das Brot-und-Butter-Geschäft der Webhoster. Wo siehst Du LAMP sterben?
Sprachen:
Assembler hat seine stabile Nische in der Low-Level Systemprogrammierung. Dort wird es bleiben und nicht so schnell weggehen. Das schöne daran ist dass jetzt nicht mehr jeder Depp versucht sich mit der CPU direkt zu unterhalten.
C - im embedded Bereich und der Systemprogrammierung nicht wegzudenken. Nur weil Applikationsentwickler eine Sprache nicht sehen heißt das nicht dass sie unbedeutend ist. Ich habe gerade ein bezahltes C-Projekt hinter mir und bin mitten in einem privaten embedded Projekt mit C. Das nächste C-Projekt kommt bestimmt.
C++ ist so tot dass man sich genötigt sieht in regelmäßigen Abständen neue Sprachstandards zu verabschieden (C++11, 14, 17, 20; 2x ist in Arbeit) und sämtliche größeren Compiler (GCC, Clang, MS C++ usw.) relativ schnell auf den neuesten Stand zu bringen... ...definitiv ein Zeichen einer toten Sprache.
Java ist so tief in der Industrie verwurzelt dass es nichts hilft darüber zu fluchen (was ich gerne mache) - es wird uns auf Dauer erhalten bleiben (auch zu meinem Leidwesen).
XSLT (Bitte: erst recherchieren, dann schreiben) ist eine Daten-Transformations-Sprache mit eingebetteter Query-Sprache (XPath) für XML. Beiden geht es gut. XSLT gehört heute zu den Standardwerkzeugen in der Industrie, auch wenn viele Kollegen erbärmlich leiden wenn sie mehr als 2 Zeilen XSLT lesen müssen...
C# ernährt alleine in Dresden dutzende Firmen. Leider.
Shell Script ist eine derartig grottige Idee dass Microsoft sich genötigt sah mit Powershell eine bessere Windows-Shell zu bauen. Nimm einem Industrie-Admin die Shell weg und Du hast einen mordenden Wahnsinnigen auf Deinen Fersen! Python ist keine Lösung, weil zu komplex.
"One Spec" - Deine Aussage ist etwas pauschal. Es kommt immer auf die Anwendung an. Ja, bei Sprachen wie Python, PHP, etc. ist eine Implementation ausreichend und sinnvoll, da die Sprache nicht performance-kritisch ist (wer es dafür benutzt hat an der Uni geschlafen). Bei C/C++ sind mehrere Implementationen eine gute Idee, da man seinen Dialekt für die jeweilige Anwendung optimieren kann - so schwer es mir fällt das zu schreiben: der Microsoft C++-Compiler erzeugt besseren Windows-Code als GCC; das fällt mir einfacher: wenn ich portabel arbeiten will nehme ich GCC, weil Microsoft-C++ fast nirgendwo läuft.
Der Internet Exploder hat nicht auf Chrome umgestellt, sondern wurde durch das Chromium-basierte Edge ersetzt.
RegEx: Brot und Butter (mit Zeichenmüll) - gewöhn dich an den Geschmack, der geht nicht mehr weg.
Im "Browser War" irgendwas vorherzusagen ist noch zuverlässiger als in eine ungeputzte Glaskugel zu starren und damit das Wetter für nächstes Weihnachten vorherzusagen. Bis jetzt hat sich Firefox gut gehalten und hat (bisher?) keinerlei Ambitionen Gecko zu entsorgen. Google's Produktstrategie ist dagegen in etwa so langzeit-stabil wie Polonium-212. Es ist alles möglich.
LiMux: ja, dieses erste große Projekt wird von ein paar Polit-Idioten gerade zurückgerollt. Es darf nicht mit Linux auf dem Desktop verwechselt werden - dem geht es in 90% der Deployments relativ gut (z.B. französische Gendarmerie und einige internationale Städte). Zugegeben das ist an der Gesamtzahl von PCs gemessen keine große Hausnummer.
Was in der Zwischenzeit alle verschlafen haben: wir haben Linux auf 80% der Telefone und in 98% aller "smarten" Geräte, wie Fernseher... irgendwann im Jahr 2099 wird sich irgenwer darüber beschweren dass es Linux immernoch nicht auf den Desktop geschafft hat und wird dabei ignorieren dass es den klassischen Desktop dann gar nicht mehr gibt.
Nichts ist so schnelllebig wie Computer-Hardware - nur mobile Hardware ist noch schlimmer. Wo sind CRT-Monitore? Tastaturen mit DIN-Stecker? ... lohnt sich nicht aufzuzählen - heute weiß keiner mehr was ein Zune ist. Von Magnettrommelspeicher mal ganz zu schweigen.
...Ich skippe mal einiges, wegen akuter Unlust darüber nachzudenken.
Mikrokernel: stecken heute in jedem teuren PC, Laptop und Server. Die Remote-Management-Units von Intel laufen auf einem Abkömmling von Minix. Wenn Du den Begriff nicht ganz so eng auslegst: ein modernes Linux hat mit einem Mikrokernel mehr gemein als mit einem wirklich monolithischen Kern; Windows NT ist als Mikrokernel designt gewesen - ist heute aber auch eher ein Mischwesen.
RAW Photo: absolut essentiell wenn Du Profi-Fotograf bist - JPEG hat um Größenordnungen weniger Information gespeichert. Bei richtig teuren (Preisklasse Porsche) Movie-Kameras ist es sogar noch schlimmer - dort kannst Du im Nachhinein die Blende anpassen und HDR-Color-Grading machen. Speicher ist heute kein Argument mehr. Merke: je Profi, desto RAW; je Amateur, desto Faulheit.
Java Applets & Flash: Treffer! Gratuliere. Beides wurde von den Browser-Herstellern aus Sicherheitsgründen abgemurkst, sonst hätten wir es noch. Dafür habe ich jetzt ein Amazon-DRM-Plugin, damit ich StarWars streamen kann. Schöne neue Welt.
FTP: bleibt in der Nische für sehr große Dateien. Da ist Web-Storage einfach nur grottenschlecht.
Jenkins: ich habe das Gefühl dass Du einen sehr eingeschränkten Blick auf diese Dinge hast? Hosting im Internet ist keine Option für viele Industrieunternehmen.
Portability: auch hier ist der Blick sehr eingeschränkt. Portabilität ist bei Anwendungen immernoch wichtig und Container lösen nur einen ganz kleinen Teil der Probleme. In der Masse ist der Hype vorbei, aber das war es auch schon.
Wie definierst Du eigentlich LAN? Tip: Local Area Network. LAN für tot zu erklären ist ungefär so sinnvoll wie Nebenstraßen abzuschaffen, weil es jetzt Autobahn-fähige Autos gibt. Es googelt nur keiner mehr nach Verkabelungsanleitungen.
VPN: ohne wäre ich im Augenblick arbeitslos. Eine handvoll VPNs ermöglicht es mir von zu Hause auf den Servern der Firma und unserer Kunden zu arbeiten. Gefühlt jeder fünfte Werbespot auf Youtube ist für einen großen VPN-Anbieter. WTF?
LDAP: andere haben schon darüber geschrieben. LDAP geht es gut.
Kurzfassung: 90% Deiner Beispiele leiden an false negatives - nur weil die Masse nicht mehr nach einer Technologie sucht heißt das nicht dass sie unwichtig ist - es kann auch sein dass sie jetzt so gut funktioniert dass man keine Doku mehr braucht. Das meiste vom Rest leidet unter schlechter Recherche. Sorry.
Kleine Ergänzung:
COBOL. Ein nicht unerheblicher Teil der Banken-Infrastruktur läuft immernoch auf COBOL. Meistens auf einer Mainframe, die 1975 angeschaltet wurde, zwischendurch nie heruntergefahren wurde, aber heute trotzdem komplett andere Hardware im Rack enthält. Wie das geht überlasse ich Dir als Rätselaufgabe.
OpenVMS: dieses Betriebssystem hält sich so stur in seinen Nischen dass HP (die hatten das von DEC geerbt) seine Strategie die Preisschraube anzusetzen aufgegeben hat und OpenVMS an eine andere Firma ausgelagert hat, damit sie es endlich loswerden und ein anderer Hersteller das Problem hat!
Itanium-Prozessor: siehe OpenVMS.
Viel Glück mit der nächsten Liste!
Konrad