Konrad Rosenbaum schrieb:
Hi,
wenn wir schon sprachliche Haare spalten... ;-)
Hu, lieber Konrad,
1): Hier wurden nicht sprachliche Haare gespalten, sondern es wurde mehrere Male die Frage danach gestellt, was "Technology" im Zusammenhang mit Patenten bedeutet. Da es sich um fachliche UND juristische Fragen handelt, ist eine saubere Begriffsdefinition geradezu eminent wichtig.
Nach dieser Definition ist "Programmiertechnologie" ein Widerspruch in sich. Programmierung ist das simple einhacken von Code-Zeilen nach einem vorgegebenen Muster. "Technologie" nach Deiner Definition ist ein hochgradig kreativer Prozess. Beides schliesst sich aus. Wenn schon, dann sollte es "Softwaredesigntechnologie" heißen, was wiederum ein sehr unpraktischer Begriff ist.
2) Nach Deiner Definition von "Programmierung" wird klar, warum Linux gegenüber Windows keine Chance hat. Programmierung ist weit mehr als das simple Einhacken von Kodezeilen nach vorgegebenem Muster. Es ist ein hochgradig kreativer und schöpferischer und gleichzeitig von hoher Disziplin begleiteter Prozeß. Die Strukturen des Programmierwerkzeugs (meist einer Programmiersprache) sind auch gleichzeitig Denkstrukturen. Deshalb gibt es auch so außergewöhnlich viele Bücher über Programmierung.
So einfach ist die Welt nicht, daß man erst "objektorientierte Anneliese und Desein" macht, und dann schlichte Programmkode-Erzeugung wie durch Abschreiben, oder gar automatisch, wie man das etwa nach den Märchenbüchern von Rumbaugh, Booch, Gamma, Jacobson vermuten könnte. Das sind alles Illusionen, die im Endeffekt zu wenig brauchbaren Programmen führen. Die sog. "industrielle Softwäär-Entwicklung" verkündet zwar nach außen, wie toll sie alle diese Techniken einsetzt, im Inneren wird aber blutig (leider auch unprofessionell) kreativ drauflosprogrammiert.
Ganz abgesehen davon, dass Technologie die Entwicklung _materieller_ Verfahren ist. Bei Software geht es eher um Vorgänge, die man mit "Design" oder "Entwicklung" bezeichnen kann.
3) Deshalb wird ja auch überall von "Softwäär-Technologie" gequatscht weil ja Technologie die Entwicklung materieller Verfahren ist:-) Nein. Technologie ist Verfahrensentwicklung auf allen Gebieten.
Die beiden Disziplinen, die Du wahrscheinlich meinst sind "Algorithmendesign" und "Sprachdesign".
4) Ich glaube, hier stimmen wir überein: Was Du Algorithmendesign nennst, das ist Programmiertechnik. Eine Technik der Anwendung vorgegebener Werkzeuge um ein Problem zu lösen. Was Du Sprachdesign nennst, ist Programmiertechnologie. Entwicklung von Werkzeugen und Verfahren der Programmierung. Ich hatte "der Informatik" geschrieben, weil heute die Informatik im wesentlichen nur noch die Entwicklung abstrakter Prozessoren ist.
Womit bewiesen wäre, dass die krampfhafte Übersetzung von englischen Fachbegriffen ins Deutsche kontraproduktiv ist:
5.1) Das waren keine Beweise, sondern Deine Meinung. 5.2) Es geht überhaupt nicht um krampfhafte Übersetzung von englischen Fachbegriffen ins Deutsche.
Wissenschaft , die Fachdisziplinen hervorbringt, ist im wesentlichen Begriffsbildung. Du willst mir doch nicht erzählen, daß Engländer und Amerikaner die Informatik und ihre Fachterminologie erfunden hätten, und wir Deutschen sie jetzt krampfhaft ins Deutsche übersetzen müßten?
Gerade bei der Programmiertechnologie, oder wegen mir Softwääärtechnologie, sind die wichtigsten Begriffe und Impulse vom deutschsprachigen Raum ausgegangen, von denen man heute noch zehrt. Rate mal, worauf die tolle Erfindung Java zurückgeht? Da schau Dir mal die Doktorarbeit von Urs Amman an der ETH Zürich von 1975 an (und in welcher Muttersprache die geschrieben wurde:-). Die p-code-Interpretierung ist schlicht auf eine Untermenge der Sprache C übertragen worden. Somit ist Java für sich noch ein bißchen Hoffnung für die Informatik der heutigen Zeit, aber beileibe kein angelsächsisches Phänomen, obwohl es von guten Entwicklern bei Sun stammt.
ein Informatiker schaltet mehrfach am Tag zwischen Deutsch und Englisch um (schon, weil er heute kaum noch in einem nur-deutschen Unternehmen arbeiten wird oder zumindest sehr viel internationale Software verwenden muss)
Das mit dem nicht mehr "nur-deutschen Unternehmen" ist eine Zwecklüge der Großfirmen, um ihre Mitarbeiter zur englischen Firmensprache zu bewegen. In Wirklichkeit geht es darum "Vorarbeiter" heranzuziehen, die von heut auf morgen mithelfen können, große Projekte z.B. von Deutschland nach Indien zu transferieren. Da braucht man englischsprechende Mitarbeiter. Als bei Siemens München (wo ich 25 Jahre gearbeitet habe) noch deutsch gesprochen wurde, war der Unternehmensbereich Datentechnik der erfolgreichste, machte auf allen Gebieten Firmen wie IBM und auch Mikroschrott und Sun Konkurrenz. Heute, wo Englisch die Firmensprache ist, ist die Siemens-Datenverarbeitung fast am Ende. Natürlich reden die in den Entwicklungslabors heimlich immer noch in ihrer Muttersprache, aber die Zusammenarbeit zwischen den Gruppen ist semantisch total abgerüstet. Das ist natürlich nicht der einzige Grund.
- in diesen Sprachen klanglich
sehr unterschiedliche Begriffe für die selbe Bedeutung benutzen zu müssen lenkt nur unnötig von der eigentlichen Aufgabe ab.
Das ist nicht wahr. Unter deutschen Entwicklern redet man in seiner Muttersprache und der darin eingebetteten Fachsprache. Natürlich wissen alle, was das auf englisch heißt und beherrschen auch englische Fachliteratur und Terminologie. Aber erst, wenn man suggestive und assoziative deutsche Begriffe verwendet, versteht man richtig, worum es geht. Da Informatik auch ein ständiger Lernprozeß ist, ist Begriffslernen besonders wichtig, und das ist mit muttersprachlichen Begriffen weit effektiver. Es geht ja nicht darum, eine englische Wortschablone durch eine deutsche Wortschablone zu "ersetzen", sondern eine Wortschablone, d.h. ein nichtassoziatives Wortsymbol, durch ein in mein semantisches Netz eingebettetes muttersprachliches Symbol. Und wenn Du tatsächlich ein englisch benanntes Phänomen vor dir hast, wirst Du es erst dann richtig verstanden haben, wenn Du dir einen muttersprachlichen Zugang dazu geschaffen hast. Gute Fachleute sind auch immer gute Sprachschöpfer!
Warum machen wir es nicht einfach so wie die Mediziner? Die Begriffe, die man braucht, um mit Nichtexperten zu reden sind übersetzbar, der Rest ist Fachsprache. Bei beiden Disziplinen sind diese "Basisbegriffe" im Deutschen vorhanden. In der Medizin ist die Fachsprache Latein, bei den Informatikern Englisch.
6. Da irrst Du aber. 80% der Ärzteschaft wehren sich derzeit dagegen, daß Fachliteratur und Kongresse nur noch auf Englisch geschrieben bzw. abgehalten werden sollen. Latein ist immer ein Rückgrat der Medizin, sowohl im Englischen wie im Deutschen, die (80%) deutschen Mediziner wollen aber eine Fachsprache, in der sie gleichzeitig mit ihren Patienten verkehren können. D.h. Latein eingebettet in eine deutsche Fachsprache. Es werden ja kaum noch neue lateinische Fachbezeichnungen geschaffen, sondern ebenfalls fast nur noch englische.
Mein Arzt muss nicht wissen, was "bubble sort" oder "quick sort" heißt, solange seine Tabellenkalkulation die Zellen der Tabelle korrekt sortiert.
Aber Du könntest, wenn Du den "bubblesort" zum erstenmal kennenlernst, sofort das Wort Blasen-Sort, oder Blasen-Sortierer hören. Dann hättest Du zu diesem Sortieralgorithmus sofort den richtigen nichtsprachlich-intelligenten Ansatz. Das Wort Blase hat ein deutscher Heranwachsender bereits millionenmal gehört und auch physisch erlebt. Das Wort "Babbel" assoziiert was ganz anderes, wo man nicht sieht, wie die Blasen im Glas aufsteigen, sondern bloß, wie es vor dem Maul platzt.
7. Diese Diskussion nimmt sehr langwierige Formen an, ich schlage vor daß wir sie entweder abbrechen oder in die private Ebene verlegen
Gruß Klaus Däßler