Am Fri den 22 Feb 2002 um 12:26:00AM +0100 schrieb Reinhard Foerster:
On Thu, Feb 21, 2002 at 07:08:54PM +0100, Thomas Guettler wrote:
Abend!
In einer EU-Kommission wird gerade ein neues Gesetz zur Patentierbarkeit diskutiert.
Ich habe nicht den EU-Entwurf sondern nur den Artikel bei Heise gelesen. Die Kernaussage:
schlägt die Kommission nun vor, computerimplementierte Erfindungen patentierbar zu machen. Als Kernvoraussetzung müssen diese aber den "Stand der Technik" in ihrem Gebiet so erweitern, dass der Beitrag "für eine fachkundige Person nicht nahe liegend ist". Daneben sind die üblichen Basiskriterien der Neuheit, der erfinderischen Tätigkeit und der gewerblichen Anwendbarkeit zu erfüllen.
Also quasi die gleiche Gesetzgebung wie außerhalb des Softwarebereiches. So wie das da steht ist das gar nicht schlecht. Das Problem liegt in der Umsetzung durch die Patentämter. Dort werden dann eben (wie schon jetzt) Patente für banale Sacher vegeben, die dem obigem Anspruch nicht genügen. Das muß sich ändern.
Schön wäre, wenn auch drinstehen würde, was grundsätzlich nicht patentierbar ist. Da sind Schnittstellen, Dateiformate und Protokolle sicher sinnvoll. "Grundsätzlich" schliesst aber im juristischen Slang nicht aus, daß es doch mal patentierbar sein kann.
Ich bin jedenfalls keiner, der Patente im Softwearebereich generell verbieten will. Was ist schlecht daran, daß die FHG Geld mit mp3-Lizenzen macht?
Nichts, schliesslich refinanzieren die sich ja damit. Frank's Argument, die hätten dafür schon mal Geld durch ihre staatliche Finanzierung erhalten mag zwar ganz gut sein, doch zeigt sich hier, daß genau hier Patente die Innovation fördern. Sprich mit dem Geld kann neue Forschung betrieben werden.
Leicht problematisch wird die Sache, wenn zum jeweiligen patentierten Stück Software keine Alternative existiert. Beispiel dafür war lange das Patent vom MIT auf die Verschlüsselung nach RSA.
Dieser Fall wäre aber im NichtSoftwarebereich genauso problematisch. Angenommen BMW erfindet eine neuartigen Motor, der einen PKW mit 100 ml Diesel 100km weit bewegen kann. Sie MÜSSEN ein Patent auf den Motor anmelden, weil sonst 1 Jahr später alle Autos der Welt mit dem Motor fahren ohne daß BMW für den Entwicklungsaufwand irgendwie entschädigt wurde. Ohne Patente und Lizenzen wäre jeder Erfinder, der seine Erfindung nicht selbst in einem Produkt an den Marktt bringen kann, Kunde beim Arbeitsamt.
Ohne dir in der Sache zu widersprechen, ist es doch so, daß hauptsächlich die großen Konzerne von Patenten profitieren und nicht der geniale Erfinder aus der Nachbarschaft.
Vor diesem Hintergrund ist es meiner Meinung nach blauäugig, Patente auf Software generell verhindern zu wollen.
Wichtig ist, sinnvolle Kriterien für die Patentierbarkeit festzulegen und diese auch durchzusetzen!!! Die maximale Patentdauer ist auch ein Punkt, über den man einiges regeln kann. Gerade im SW-Bereich gehören neue Erfindungen schon wenige Jahre später zum Allgemeinwissen.
Problematisch ist doch meist, daß ein Patent auf A oft eine Ausgangsbasis zur Domination von Produkt/Feature B darstellt. Auf dein Beispiel bezogen würde es zur "Softwarewelt" passen, wenn der Motor dann nur noch mit patentiertem BMW Benzin funktioniert. (Mapping auf Software: wo das Format patentiert ist, gibt es auch einen Player - der nur dem Produkt B funktioniert, das der Hesteller voranbringen will...)
Was kann man machen ausser sich bei http://petition.eurolinux.org/
Das sieht sehr nach "TotalGegenAllePatente-Leute" aus, für die es nur Schwarz und Weiß gibt.
Die Probleme mit solchen Gesetzen entstehen doch letztlich daraus, daß sie einseitig legitime private Rechte Schützen (z.B. Investitionen) anderenseits aber legitime öffentliche Anliegen nicht in Betracht ziehen. Öffentliche Anliegen sind in dieser Sprechweise die Handlungsfreiheit der Open Source Gemeinschaft. In diesem Bereich gibt es auch die aus dem privaten Bereich bekannten Konzepte wie "Investitionsschutz" überhaupt nicht. Hier zählen eher Dinge wie der freie Austausch von Informationen usw. Dafür ist Voraussetzung, daß es öffentlich zugängliche, frei implementierbare Standards gibt, die nicht durch die Marktmacht von einzelnen privaten Institutionen ausgehöhlt werden.
Was auch noch auf die Open Source Gemeinschaft zukommen könnte ist der Umstand, daß man nicht nur die Software unter eine freie Lizenz stellen muß, damit sie öffentlich bleibt - sondern sie auch noch gegen den Patentmißbrauch schützen muß. Sicher hat das Patentamt dafür zu sorgen, daß das nicht geschieht. Aber es wird geschehen und dann kommt es zum teueren Rechtsstreit, den ein Entwickler nicht bezahlen kann, da er ja damit kein Geld verdient.
[schnipp]
Das ist wahrscheinlich wenig erfolgreich. Es werden in naher Zukunft wohl einige Gesetze kommen, bei denen sich Fachleute an den Kopf greifen (ohne allerding eine geniale Alternative parat zu haben). Wenn das nach einiger Zeit (Jahre) nach und nach auch der Normalbürger bemerkt, wird man sich wieder was neues einfallen lassen. Try and Error.
Das glaubst du doch nicht wirklich? Die Realität sieht so aus, daß es eher neue Gesetze gibt, als das alte überkommene Gesetze revidiert werden. Daraus entsteht ein Wust, bei dem der vor Gericht gewinnt, der die besseren Rechtsanwälte hat. Oder der Prozeß zieht sich so lange hin, bis man Pleite ist.
Ein Beispiel: Im Moment baut sich eine ganz neue Branche um das Windei DRM (digital right management) auf. Diese Branche will uns zwei Dinge verkaufen:
- das lesbare aber nicht kopierbare Bit
- die Möglichkeit, Informationen gezielt verschwinden zu lassen.
Natürlich ist das völliger Blödsinn.
Nur leider bist du mit dieser Ansicht in einer Minderheit.
Irgendwie ist aber jetzt der Hype da und so muß eben der Gesetzgeber dafür sorgen, daß nicht sein kann was nicht sein darf. Per Gesetz wird also versucht, das technisch unmögliche trotzdem Realität werden zu lassen.
Hier bin ich Pessimist genug, um zu glauben, daß das trotzdem Erfolg haben kann. Microsoft hat auf einige Konzepte schon Patente, die ungefähr so aussehen, daß das Betriebssystem als zentrale Authorität der Informationsverarbeitung darauf aufpaßt, daß nur das kopiert wird, was auch kopiert werden darf. Wird das erst mal umgesetzt, dann gibt es also sowas wie eine Referenzimplementierung. Gibt es jetzt ein Gesetz, das vorschreibt, daß jedes Betriebssystem diese "Funktionalität" besitzen muß, dann haben wir schon eine Situation, wo der Einsatz von offener Software (die so eine Selbstverkrüppelung ja nicht bieten kann, da sie nicht binary only ist) sehr problematisch. Nun könnte man sich sicherlich eine Reihe von Auswegen vorstellen, wie dummy Implementierungen, aber es doch klar, daß eine Menge Ärger auf die Open Source Gemeinschaft am Anrollen ist.
Lange ist so ein Schwindel sicherlich nicht durchzuhalten.
Optimist. Es ist ja nicht so, daß man so ein System mit Pauken und Trompeten einführt, sondern es wird leise eingebaut und im Release N+1 wenn jeder es hat zum Zwang werden.
Allerdings kann man der Sache auch was Positives abgewinnen: Wenn es wirklich kommt und dann auch die 95% der Krüppel OS User merken, was sie sich aufgeladen haben, dann kommt es hoffentlich mal zu einer etwas breiteren Diskussion.
zu Thomas' Frage: "Was kann man tun?" Vor allem eins: Allen möglichen Leuten (Mama, Papa, Kumpel, ...) ein bischen erzählen, wie das Stück Welt, von dem wir Ahnung haben, wirklich funktioniert. Also Aufklärung im weitesten Sinne betreiben.
Social Engineering eben.
Reinhard
Mal sehen, wer als erstes den Versuch unternimmt, das "perpetuum mobile" per Gesetz zum Laufen zu bringen. Bush? Schröder? Stoiber?
Bush bestimmt nicht, das widerspricht doch den "vitalen Interessen" der Energiewirtschaft. Lieber Klima GAU als Börsencrash.
andre