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On Friday 22 February 2002 19:12, Eric Schaefer wrote:
On Fri, Feb 22, 2002 at 06:34:48PM +0100, Konrad Rosenbaum wrote:
Patente sind (ganz offiziell) eine Monopolisierung von Wissen.
ACK. (Ohne Wertung)
Wollen wir sowas wirklich? Gerade in einem Bereich, der von der Verbreitung von Wissen lebt?
Das eigentlich Problem ist doch, daß es "gute" und "schlechte" Patente bzw. Anwendungen derselben gibt.
Schlecht: GIF ("jetzt, wo wir fast pleite sind, zocken wir die ganze Welt ab") CSS (nicht der Algorithmus selbst soll geschützt werden, sondern vielmehr soll er "sicher" gemacht werden) Gut: eine Firma entwickelt mit hohen Kosten ein Verfahren oder einen Algorithmus und andere, die die größere Marktmacht haben, machen damit einen Reibach, ohne die hohen Entwicklungskosten
Prinzipiell: Patente auf Software sind gefährlich, aber nicht automatisch böse.
Bisher kenne ich kein Beispiel fuer "gute" SW-Patente.
Alles, was bei SW patentfaehig ist, ist IMHO:
a) entweder uninteressant und damit ist auch fuer den Patent-Inhaber kein Geld zu machen
b) oder wird innerhalb kurzer Zeit zur Infrastruktur (z.B. mp3) und sollte damit eigentlich fuer alle frei verfuegbar sein
Die Bereiche, in denen das nicht gilt (Anwendungen, die nur in sehr begrenzten millionenschweren Industriebereichen genutzt werden) sind nicht auf Patente angewiesen, da die Neuentwicklung der SW normalerweise wesentlich mehr kostet, als eine Lizenz. Kurz: mit Geheimhaltung und ausgekluegelten Lizenzen laesst sich da mehr erreichen.
Angenommen ich erfinde eine Software, die wesentlich besser funktioniert, als das in der Halbleiterindustrie eingesetzte Kommunikationsprotokoll. Ich bin total stolz auf mich und patentiere das Ganze. Jetzt versuche ich das Teil an den Mann zu bringen... und muss feststellen, dass ich keine Chance habe. Trotz Patent ist meine Kreditwuerdigkeit nicht wesentlich hoeher als ohne Patent. Angenommen ich schaffe es einen Big Player der Branche davon zu ueberzeugen, dass meine SW toll ist.
Moeglichkeit 1: $bigplayer hetzt seine Anwaelte auf die SW und findet ganz bestimmt irgendein Patent mit dem er mich zur Herausgabe der Rechte zwingen kann. (Kosten fuer $bigplayer: ca. 100.000EUR)
Moeglichkeit 2: $bigplayer kauft mich auf und draengt mich langsam wieder aus dem Geschaeft raus. Ok, ich habe (wenn ich Glueck habe) einige tausender gutgemacht, aber die gehen frueher oder spaeter fuer eine aufwaendige Kur nach einem Schlaganfall drauf. (Kosten fuer $bigplayer: ca. 500.000EUR)
Moeglichkeit 3: $bigplayer verhaelt sich fair und bezahlt brav die Tantiemen fuer die Vermarktung meines Patents. (Kosten fuer $bigplayer: n millionen EUR)
Was haelst Du fuer wahrscheinlicher?
Angenommen ich bin eine Mittelstaendische Firma: das Szenario bleibt gleich, die Zahlen werden um eine Zehnerpotenz groesser.
Angenommen ich bin Angestellter von $bigplayer: $bigplayer erhaelt das Patent, ich bekomme eine oeffentliche Belobigung, nebst huebschem (Plastik-) Pokal und einem Scheck ueber 1000 bis 10000 EUR. Wenn ich nicht mindestens im mittleren Management bin kann ich alles hoeher liegende vergessen (und mittleres Management neigt meines Wissens nicht gerade zu patentfaehigen Erfindungen). Bei diesem Szenario ist es fuer mich uebrigens voellig egal, ob es Patente auf meine SW gibt oder nicht. Der Wert fuer $bigplayer ist annaehernd gleich und damit auch meine "Gratifikation".
Angenommen, ich entwickle einen Algorithmus, der noch besser funktioniert als JPEG2000 und patentiere ihn. Drei Moeglichkeiten:
*ich verlange von Anfang an Lizenzen: nur grosse SW-Firmen koennen sich die Anwendung meines Algorithmus leisten und er wird entweder bedeutungslos oder das Patent behindert den technischen Fortschritt, weil alle wollen aber nicht koennen
*ich verlange nach einigen Jahren Lizenzen: der Schaden ist immens, weil praktisch jede SW in diesem Anwendungsgebiet den Algorithmus einsetzt und jetzt entweder Lizenzen zahlen muss oder umgestellt werden muss (siehe GIF, eventuell nur schlimmer)
*ich lass es bleiben: ich habe umsonst 3000EUR fuer das Patent bezahlt und haufenweise Forscher und Entwickler verunsichert, weil sie jederzeit mit Forderungen rechnen mussten
Das will heissen: der Gewinn, den ich durch das Patent mache mag fuer mich angemessen sein. Die "Kollateralschaeden" sind aber in jedem Fall signifikant. Die Entscheidung ist also nicht: "Wollen wir den Forschern ihre Belohnung goennen?" sondern "Sind die negativen Auswirkungen von SW-Patenten durch ihre positiven Auswirkungen gerechtfertigt?" - ich persoenlich denke: nein.
Konrad
- -- The idea of male and female are universal constants. -- Kirk, "Metamorphosis", stardate 3219.8