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Hallo Peter,
Am Freitag, 9. April 2004 11:38 schrieb Peter Mazurek:
Am 08. April schrieb Friedrich W. H. Kossebau zum o.g. Thema: natürlich hast Du recht mit der Behauptung
[...] Allerdings fürchte ich, daß Du wie so viele bei dieser Diskussion ein paar Defizite in Sachen Patent- und Markenrecht hast. [...]
Allerdings halte ich gar nichts von juristischen Spitzfindigkeiten. Definitionsfragen sind an die- ser Stelle ganz fehl am Platze!
Wenn Dir einer was erzählt, wie ungeeignet Linux doch ist, und dabei ständig KDE/GNOME, X-Server, Apache oder Kernel verwechselt, nun, über dessen Meinung würdest Du doch auch lachen statt über sie nachzudenken.
Das hat mit Spitzfindigkeiten nichts zu tun. Sondern damit, ob jemand überhaupt das System verstanden hat, über das er sich mockiert.
Marken sind nun mal was völlig anderes als Patente. Marken können ewig gelten, solange sie ohne große Pausen in Gebrauch sind, und schützen Identifizierungssymbole (z.B. "Linux" und "KDE"). Das sieht wohl jeder ein, daß eine solche Regelung nötig ist, sonst könnte jeder jedes z.B. "Linux" nennen und man wüßte nie, woran man wär. Problem hier nur, daß einige über die Strenge schlagen und am liebsten (wider den gesetzlichen Bestimmungen) Dinge des allgemeinen Gebrauchs besetzen wollen oder sogar erfolgreich taten (T, Farbe Magenta, Schokoladenmädchen, Windows, ...). Patente haben eine Maximallaufzeit (D:20 Jahre), spätestens dann fällt das Monopol und die entsprechenden Techniken stehen der Allgemeinheit lizenzkostenfrei zur Verfügung. Im deutschen Patentwesen steigt sogar die Jahresgebühr mit zunehmender Laufzeit. Problem hier: Überforderung der Angestellten des Patentamtes mit einer Flut von Patentanträgen, teilweise mangelnde Qualifikation der Bearbeiter, Unwesen großer Firmen, eine Masse von zum Teil belanglosen Patenten mit entsprechend umfangreichen Juristerei-Abteilungen zu horten, um damit aufstrebende Firmen kaputt zu klagen bzw. klein zu halten, dabei aber zwischen den großen Firmen per Patentaustausch-Abkommen weitgehend Frieden zu halten. Teil dieser Technik: patentierte Verfahren in Standardisierungen einfließen zu lassen. Weiterhin ist es (angeblich) oft teurer, ein Patent anzufechten als die geforderte Lizenzgebühr für die nötigen Jahre zu zahlen, auch wenn das Patent trivial oder nicht neu ist. Zusätzlich dauert es derzeit ein paar Jahre, bis ein Patent erteilt ist, in der Zwischenzeit kann niemand überhaupt wissen, daß er ein Patent verletzen wird. Teil der Vorlesung zum Patentwesen vor ein paar Jahren war, wie man Patente möglichst so formuliert, daß sie schlecht gefunden werden! -> eigentliches Patent in Nebenanspruch verbergen, möglichst andere Kategorie als typische wählen (was zum Thema Drucken in Textilbearbeitung oder so stecken), Titel möglichst undeutlich formulieren. Selbst wenn mal also Recherche zu einem Gebiet macht, ist noch lange nicht garantiert, daß man alle Patente findet. Und dann erst die Sache mit der Globalisierung: Schon mal englische, spanische oder gar japanische Patente recherchiert? Und da Freie Software meist im Internet veröffentlicht wird...
<schnipp schlechter Vergleich zum Thema Definition>
Ich will damit sagen, daß ich eine riesige Gefahr beispielsweise für die Forschung sehe. Mir graust bei der Vorstellung, daß vor fast drei Jahrzehnten ein hasenwilder Rechtsanwalt gekommen wäre, seinen Finger auf ein Stück Programmcode der all- gemeinen Programmbibliothek der BESM6 an der TU Dresden gelegt und behauptet hätte, daran be- säße sein Mandant die Rechte (ich sagte "Rechte", nicht "Patente"!). Die TU Dresden wäre, weil ihre Mitarbeiter diese Programmbibliothek vielfältig nutzten, sofort paralysiert gewesen!
Welche Rechte meinst Du? Urheberrechte? Oder Logikpatente?
Lieber Friedrich, wenn Du über das Patentsystem
schreibst:
daß die derzeitigen Ausuferungen eigentlich nicht geplant waren. [...]
Aus meiner Sicht ergibt sich eher das Problem, daß das Patentsystem in der derzeitigen Implementierung kaputt ist.
so gestatte bitte die Frage, warum mit einem kaput- ten System immer mehr reglementiert werden soll?
Das frage nicht mich, sondern Deine Justizministerin und Deinen Wirtschaftsminister und deren EU-Kollegen, die nun wider den Willen des EU-Parlaments, also der eigentlichen Repräsentation (schön wär es jedenfalls) der europäischen Bevölkerung, das Patentsystem verschlimmbessern wollen (sofern die Berichte stimmen).
Falls Du es noch nicht mitbekommen hast ;) : Ich bin dagegen, in der jetzigen Situation Logikpatente zu legalisieren. Ich kann mir zwar langfristig vorstellen, daß bei umfangreicheren Entwicklungen, etwa MP3, ein Investitionsschutz sinnvoll wär, vor allem, da im Gegenzug im Patent die Funktionsweise offengelegt werden muß, also der Allgemeinheit nach Verfall des Patents zur Verfügung steht. Aber bei dem bestehenden, aus den Fugen geratenen Patentsystem bzw. dessen Mißbrauchs stimme ich denen zu, die eine Ausweitung des Patentrechts auf Logik für dem Allgemeinwohl abträglich halten, im Falle der Freien Software sogar für tödlich. Und da der Meinung vieler nach, auch meiner, Freie Software für eine aufgeklärte und freie Gesellschaft wichtig ist, würde das Allgemeinwohl um so mehr beschädigt.
Ich will hier aber nicht den Eindruck entwickeln, daß ich Experte auf dem Gebiet bin, deswegen kann ich hier auch nicht mit erschöpfenden Ausführungen zum Thema dienen, ich habe lediglich mal ne Vorlesung dazu besucht und hier und da zugehört. Wenn also etwas falsch war, bitte eingreifen. Doch unter den Blinden ist der Einäugige König, und da wollte ich mal ein wenig bei den Blinden die Augen öffnen, damit es mehr Könige gibt, die den Kaisern entgegentreten können. ;)
Gruss
Friedrich