Hallo,
hier ein paar aktuelle politische Informationen aus unserer Bananenrepublik...
Josef
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Subject: [ffii] "Offene Standards": Umdefinition am Mittwoch Date: Montag 18 Juni 2007 From: PILCH Hartmut phm@a2e.de To: neues@ffii.org
Am Mittwoch vormittag diskutiert der
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie http://webarchiv.bundestag.de/archive/2006/0606/ausschuesse/a09/index.html
des Bundestages einen
Antrag der Koalitionsfraktionen für Offene IT-Standards im Bundestag http://eupat.ffii.org/07/06/bundestag13/bundestag_orig070613.de.pdf
über den Heise letzte Woche berichtete:
Koalition bringt Antrag für Offene IT-Standards in Bundestag ein http://www.heise.de/newsticker/meldung/91096
Leider hat die Sache einen Haken: der Antrag definiert "Offene Standards" derart weit, dass damit auch gebührenpflichtige patentierte Standards gemeint sein können, durch die etwa freie/quelloffene Standards ausgeschlossen werden.
Mit dieser Definition widerspricht der Koalitionsantrag der in der EU etablierten Definition.
Gemäß Empfehlungen der Europäischen Kommission für den öffentlichen Behördenverkehr
European Interoperability Framework for panEuropean eGovernment Services http://europa.eu.int/idabc/en/document/3761
kann von einem "offenen Standard" nur gesprochen werden, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
1. Der Standard wird von einer gemeinnützigen Organisation beschlossen und gepflegt und in einer offenen (konsens- oder mehrheitsbasierten) Weise entwickelt, die allen interessierten Parteien eine Einflussnahme ermöglicht. 2. Der Standard ist veröffentlicht. Die Spezifikation ist entweder frei oder gegen eine genannte Schutzgebühr verfügbar und darf frei oder gegen Gebühr kopiert und weitergegeben werden. 3. Soweit der Standard oder Teile davon gewerblichen Schutzrechten (Patenten) unterliegt, sind diese unwiderruflich gebührenfrei nutzbar. 4. Die Wiederverwendung des Standards unterliegt keinen Einschränkungen.
Der Antrag der Koalitionsfraktionen beinhaltet eine Umdefinition von "offener Standard", die der EU-Definition widerspricht und genau das tut, wofür Microsoft-Lobbyisten (wie z.B. BSA und CompTIA) seit Jahren mit Schwerpunkt arbeiten:
Standards sollen dann als "offen" betrachtet werden, wenn sie den Austausch zwischen verschiedenen Plattformen und Applikationen ermöglichen und ausreichend dokumentiert sind. Die Schnittstellen müssen offengelegt, die technischen Spezifikationen auch umsetzbar sein, und ihre Nutzung muss zu fairen und diskriminierungsfreien Konditionen lizenziert sein.
Sinnvoll korrigieren könnte man den Abschnitt im Koalitionspapier etwa wie folgt:
ALT:
ihre Nutzung muss zu fairen und diskriminierungsfreien Konditionen lizenziert sein
NEU:
ihre Nutzung muss für jedermann ohne Gebühren oder sonstige belastende Lizenzbedingungen erlaubt sein
Mit "fair und diskriminierungsfrei"
Reasonable And Non-Discriminatory (RAND) http://en.wikipedia.org/wiki/Reasonable_and_non-discriminatory
werden üblicherweise Bedingungen bezeichnet, bei denen Benutzer Geld bezahlen oder sonstige Leistungen erbringen müssen. Der Gegenbegriff hierzu ist "royalty-free" (RF).
Beim W3C wurde im Jahr 2002 schon einmal ein Versuch abgewehrt, "zu fairen und diskriminierungsfreien Konditionen lizenzierte Standards" im Web hoffähig zu machen.
"Zu fairen und diskriminierungsfreien Konditionen lizenzierte Standards", wie die Koalitionsfraktionen sie befürworten, sind mit freier Software, wie sie der Bundestag für seine Server einsetzt, nicht vereinbar. Letztlich sind sie also weder fair noch diskriminierungsfrei.
Der Bundestagsantrag verpflichtet die Regierung nicht wirklich zu irgend etwas. Er wird wahrscheinlich schnell in den Akten verschwinden, und danach werden die Microsoft-treuen Lobby-Verbände die "Bundestags-Definition" von "Offene Standards" zitieren, um ihren Feldzug zur Aussperrung von freier Software aus dem öffentlichen Bereich besser führen zu können. Dabei erhalten sie jetzt Schützenhilfe von CDU/CSU und SPD. Was ihnen auf auf der Ebene der EU nicht gelang, wird diesmal über den Bundestag versucht. Bisherigen Versuche von FFII-Seite, die Koalitionsabgeordneten zu warnen, waren nicht von erkennbaren Erfolgen gekrönt. Aber vielleicht ist es ja noch nicht zu spät, die Abgeordneten des Wirtschafts- und Technologie-Ausschusses zu warnen.
-- Hartmut Pilch Vorsitzender FFII Deutschland http://www.ffii.de/
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