Hallo, da hier ja im Moment nicht so viel los ist starte ich mal ein Thema das mich schon seit einiger Zeit beschäftigt. Ich nutze bereits seit einigen Jahren Xubuntu, hauptsächlich mit den über die repositories verfügbaren Anwendungen. Bei einer Reihe von Projekten ist mir aufgefallen, daß Bugs über längere Zeiträume nicht beseitigt werden, auch wenn diese bei vielen anderen Nutzern auftreten und von Entwicklern reproduziert werden können. Als Beispiel seien hier mal https://bugs.launchpad.net/bugs/880024 und https://bugs.launchpad.net/bugs/972340 genannt. Speziell für thunar ist auch zu beobachten, daß sinnvolle features die man auf der Entwickler-ML vorgeschlägt ignoriert werden. Z.B. wäre es wünschenswert, daß ein in thunar neu angelegter Ordner automatisch selektiert wird. Das ist vermutlich nicht allzu schwer zu realisieren wird aber nicht umgesetzt. Ich bin selber kein Entwickler und kenne auch niemanden der als OS-Entwickler tätig ist. Deshalb stelle ich hier mal die Frage in den Raum - Wirken die Anreize die in "The Bazaar and the Cathedral" von Eric Raymond and ähnlichen Werken geschildert werden möglicherweise doch nicht so wie deren Autoren sich das vorstellen? Wäre es vielleicht doch sinnvoll gezielt finanzielle Anreize zu setzen. Ich könnte mir das z.B. vorstellen als eine Möglichkeit für Anwender auf bugs im launchpad eine Art bugfix-Prämie auszusetzen die im Erfolgsfall ausgezahlt wird. Nutzer könnten so einen Einfluß ausüben darauf welche bugs ihnen besonders wichtig erscheinen. Bei besonders nervigen bugs würden sich Kleinbeträge dann summieren und möglicherweise einen Anreiz für deren Beseitigung setzen der sonst nicht vorhanden wäre. Wurde diese Idee vielleicht schonmal in der OS-community diskutiert? Es würde es Nutzern wie mir, die selbst keinen Entwickler bezahlen können aber durchaus in der Lage wären 100-150 Euro/Jahr beizusteuern ermöglichen gezielt die Dinge zu fördern auf die sie besonders Wert legen.
Grüße Jens
Hi,
On Saturday 08 September 2012, Jens Herrmann wrote:
da hier ja im Moment nicht so viel los ist starte ich mal ein Thema das mich schon seit einiger Zeit beschäftigt. Ich nutze bereits seit einigen Jahren Xubuntu, hauptsächlich mit den über die repositories verfügbaren Anwendungen. Bei einer Reihe von Projekten ist mir aufgefallen, daß Bugs über längere Zeiträume nicht beseitigt werden, auch wenn diese bei vielen anderen Nutzern auftreten und von Entwicklern reproduziert werden können. Als Beispiel seien hier mal https://bugs.launchpad.net/bugs/880024 und https://bugs.launchpad.net/bugs/972340 genannt.
Sowas passiert wenn es nicht genug Entwickler gibt, der letzte Spezialist für dieses Thema weg ist oder andere Bugs wichtiger sind.
Speziell für thunar ist auch zu beobachten, daß sinnvolle features die man auf der Entwickler-ML vorgeschlägt ignoriert werden. Z.B. wäre es wünschenswert, daß ein in thunar neu angelegter Ordner automatisch selektiert wird. Das ist vermutlich nicht allzu schwer zu realisieren wird aber nicht umgesetzt.
Die Definition von "sinnvoll" ist zwischen Nutzern und Entwicklern häufig sehr unterschiedlich. Die Definition von "nicht allzu schwer" ist fast immer radikal unterschiedlich.
In diesem speziellen Fall kann ich das natürlich nicht einschätzen, da ich nichtmal Nutzer dieser Software bin.
Im Allgemeinen gilt aber: Ein Fehler der von Nutzern gerne gemacht wird ist eine angebliche Lösung vorzuschlagen ohne zu beschreiben welches Problem damit gelöst werden soll - der Effekt ist dass die Entwickler nicht sehen dass es da ein wichtiges Problem gibt, sondern nur dass da eine sinnlos komplexe Lösung gefordert wird, die kaum einen Effekt hat.
Also: immer beschreiben was Dein Problem ist und warum die existierende bzw. bekannte Lösung nichts bringt. Du wirst oft überrascht sein welche eleganten Lösungen die Entwickler vorschlagen und welche Möglichkeiten es bereits gibt.
Ich bin selber kein Entwickler und kenne auch niemanden der als OS-Entwickler tätig ist. Deshalb stelle ich hier mal die Frage in den Raum - Wirken die Anreize die in "The Bazaar and the Cathedral" von Eric Raymond and ähnlichen Werken geschildert werden möglicherweise doch nicht so wie deren Autoren sich das vorstellen?
Welche Anreize speziell meinst Du?
"Scratch an itch"? Ja, die Entwickler lösen immer als erstes die Probleme, die sie selbst nerven.
"Fame"? Funktioniert. Bestens. Ich mache auch lieber Sachen, die von vielen benutzt werden.
Wäre es vielleicht doch sinnvoll gezielt finanzielle Anreize zu setzen. Ich könnte mir das z.B. vorstellen als eine Möglichkeit für Anwender auf bugs im launchpad eine Art bugfix-Prämie auszusetzen die im Erfolgsfall ausgezahlt wird.
Vorstellbar, aber welchen Effekt das haben wird ist schwer vorherzusagen. Bei einigen Bugs könnte es Entwickler anlocken, bei anderen könnte es sogar zu einem Exodus führen, weil die Entwickler sich beleidigt fühlen.
Ich würde zum Beispiel ganz gezielt solche Bugs vermeiden.
Nutzer könnten so einen Einfluß ausüben darauf welche bugs ihnen besonders wichtig erscheinen.
Voting gibt es schon bei vielen Bugtrackern (bei Lauchpad bin ich mir da jetzt nicht sicher). Man kann es aber auch locker ignorieren.
Bei besonders nervigen bugs würden sich Kleinbeträge dann summieren und möglicherweise einen Anreiz für deren Beseitigung setzen der sonst nicht vorhanden wäre. Wurde diese Idee vielleicht schonmal in der OS-community diskutiert?
Immer wieder. Zusammen mit anderen Anreizsystemen.
Es würde es Nutzern wie mir, die selbst keinen Entwickler bezahlen können aber durchaus in der Lage wären 100-150 Euro/Jahr beizusteuern ermöglichen gezielt die Dinge zu fördern auf die sie besonders Wert legen.
Problem daran ist dass die Beträge, die zusammenkommen keine Korrelation zum Entwicklungsaufwand haben. Ein besonders nerviger Bug, der 10000 zusammenbringt, kann innerhalb von 20 Minuten gefixt sein und ein Bug der wichtig ist aber nur ein paar Hunderter bringt kann Monate in Anspruch nehmen. Als Nutzer ist das nur schwer einzuschätzen. Die Verteilung des Geldes wäre unweigerlich unfair.
Wenn Du so ein System sinnvoll betreiben willst musst Du mindestens ein paar dutzend Entwickler einstellen und die Einnahmen über hunderte Bugs ausgleichen. Bisher hat noch niemand so ein Geschäft aufgemacht - Firmen bezahlen besser und zuverlässiger als Privatnutzer.
Konrad
On 09/08/2012 01:56 PM, Konrad Rosenbaum wrote:
Welche Anreize speziell meinst Du?
Raymond schreibt, für nachhaltige Motivation muß der Programmierer sich da ransetzen weil es eine interessante/schwierige Problemstellung ist, weil ihn die Aufgabe selbst interessiert. Seiner Meinung nach (die er mit Studien unterfüttert) zerstören extrinsische Anreize z.B. durch Geld diese Motivation. (S.108+109)
Grüße Jens
On Saturday 08 September 2012 18:15:03 Jens Herrmann wrote:
On 09/08/2012 01:56 PM, Konrad Rosenbaum wrote:
Welche Anreize speziell meinst Du?
Raymond schreibt, für nachhaltige Motivation muß der Programmierer sich da ransetzen weil es eine interessante/schwierige Problemstellung ist, weil ihn die Aufgabe selbst interessiert.
Ahh. Also doch das was ich mit "Scratch an itch" zusammengefasst hatte.
Referenz: http://www.catb.org/esr/writings/homesteading/cathedral-bazaar/ar01s02.html
Seiner Meinung nach (die er mit Studien unterfüttert) zerstören extrinsische Anreize z.B. durch Geld diese Motivation.
Völlig korrekt. Meine eigene (nicht sehr wissenschaftliche) Beobachtung ist dass sich vieles radikal ändert wenn Du die Motivation änderst:
intrinsische Motivation (Neugier, Ruhm, guter Ruf, ...): * dem Hacker ist nahezu egal wie viel Zeit er investiert * das Ziel ist es das Problem möglichst gut zu lösen * Nebenziele sind: - dabei was lernen, - die eigene Position in der Community festigen, - Erfolgserlebnisse
extrinsische Motivation (Kasten Bier, Geld, ...): * es wird maximal so viel Zeit investiert wie die Gegenleistung wert ist * das Ziel ist es das Problem so schnell wie möglich zu lösen * Nebenziel ist dabei Gewinn zu machen
Gewisse Trad-Offs werden auch bei intrinsischer Motivation gemacht - man löst hauptsächlich die Probleme, die man selbst auch spürt oder die bei denen die "Nebenziele" am besten bedient werden. Deswegen bleiben Bugs mit schlechter oder gar keiner Beschreibung liegen - man geht einfach nicht davon aus dass ein User, der sich keine Mühe gibt, irgendeine Form von Dankbarkeit zeigt die ein Erfolgserlebnis darstellt oder die eigene Position festigt.
Interessant zu beobachten ist wenn es einen Bug gibt der zunächst "intrinsisch" diskutiert wird und bei dem dann jemand Geld bietet: entweder wird die Geldfrage rundherum abgelehnt oder ein großer Teil der aktuellen Entwickler steigt aus der Diskussion aus - stattdessen kommen die "Kopfgeldjäger", die versuchen werden den Bug so schnell wie möglich zu lösen um das Geld einzustreichen - ohne auf Nebenwirkungen zu achten natürlich.
Dass Geld demotivierend wirken kann liegt einfach daran dass man sehr viel davon braucht damit es sich lohnt: * Programmierung ist eine hochspezialisierte Disziplin - Expertise kostet Geld (normale Consulting-Preise liegen zwischen 50 und 200 Euro pro Stunde; wenn man "Nebenbeschäftigungen" mitzählt ist kein Bug in nur 1 Stunde gefixt) * die Transaktionskosten sind erheblich: Rechnung stellen, Kontodaten übermitteln, Geldeingang prüfen, mahnen, verhandeln, Gebühren ... * ...am Ende muss man davon leben können... (Programmierer sind an einen hohen Lebensstandard gewöhnt, Freiberufler müssen dann auch noch die saure-Gurken-Zeit überbrücken)
(S.108+109)
Seitenangaben bringen hier nicht viel: wir wissen nicht welche Ausgabe Du hast und in welcher Sprache Du es liest - die meisten lesen es als Webseite...
Konrad
Hi,
On 08.09.2012 13:04, Jens Herrmann wrote:
Hier mit F17 und gpicview 0.2.1 scheint alles zu klappen. Der Bugreport sieht auch etwas dürftig aus... hast du es schon einmal im Bugtracker von gpicview versucht ... siehe hier http://sourceforge.net/tracker/?func=detail&aid=3397567&group_id=180... ? Da gibt es zumindest schon einmal nähere Informationen.
Viele Grüße Rico
On 09/08/2012 03:33 PM, Rico Schüller wrote:
Hier mit F17 und gpicview 0.2.1 scheint alles zu klappen. Der Bugreport sieht auch etwas dürftig aus... hast du es schon einmal im Bugtracker von gpicview versucht ... siehe hier http://sourceforge.net/tracker/?func=detail&aid=3397567&group_id=180... ? Da gibt es zumindest schon einmal nähere Informationen.
Ah ok, also hat sich das doch schonmal jemand angesehen. Ich nutze meist ubuntu-bug und kriege nur mit was da gepostet wird.
Grüße Jens
lug-dd@mailman.schlittermann.de